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Kant: On the Unlawfulness of Reprinting, Berlin (1785)

Source: Retrospektive Digitalisierung wissenschaftlicher Rezensionsorgane und Literaturzeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum, http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/aufklaerung/index.htm.

Citation:
Kant: On the Unlawfulness of Reprinting, Berlin (1785), Primary Sources on Copyright (1450-1900), eds L. Bently & M. Kretschmer, www.copyrighthistory.org

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15 transcripted pages

Chapter 1 Page 1



( 403 )


Von der Unrechtmäßigkeit des
Büchernachdrucks.

      Diejenigen, welche den Verlag eines Buchs als
den Gebrauch des Eigenthums an einem Exemplare
(es mag nun als Manuscript vom Verfasser, oder als
Abdruck desselben von einem schon vorhandenen
Verleger auf den Besitzer gekommen sein) ansehen
und alsdann doch durch den Vorbehalt gewisser Rechte,
es sei des Verfassers, oder des von ihm eingesetzten
Verlegers, den Gebrauch noch dahin einschränken
wollen, daß es unerlaubt sei, es nachzudrucken, -
können damit niemals zum Zwecke kommen. Denn das
Eigenthum des Verfassers an seinen Gedanken (wenn
man gleich einräumt, dass ein solches nach äußern
Rechten statt finde) bleibt ihm ungeachtet des
Nachdrucks; und da nicht einmal füglich eine
ausdrückliche Einwilligung der Käufer eines Buchs
zu einer solchen Einschränkung ihres Eigenthums
statt finden kann*)


____________________

*) Würde es wohl ein Verleger wagen, jeden bei
dem Ankaufe seines Verlagswerks an die Bedingung
zu binden, wegen Veruntreuung eines fremden ihm
anvertrauten Guts angeklagt zu werden, wenn mit
seinem Vorsatz, oder auch durch seine
Unvorsichtigkeit das Exemplar, das er verkauft,



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( 404 )


wie viel weniger wird eine bloß präsumirte zur
Verbindlichkeit derselben zureichen?
      Ich glaube aber Ursache zu haben, den
Verlag nicht als das Verkehr mit einer Waare in
seinem eigenen Namen, sondern als die Führung
eines Geschäftes im Namen eines andern, nämlich
des Verfassers, anzusehen und auf diese Weise
die Unrechtmäßigkeit des Nachdruckens leicht
und deutlich darstellen zu können. Mein Argument
ist in einem Vernunftschlusse enthalten, der das
Recht des Verlegers beweiset; dem ein zweiter
folgt, welcher den Anspruch des Nachdruckers
widerlegen soll.

I.

Deduktion des Rechts des Verlegers gegen den
Nachdrucker

      Wer ein Geschäft eines andern in dessen Namen
und dennoch wider den Willen desselben treibt, ist
gehalten, diesem oder seinem Bevollmächtigten allen
Nutzen, der ihm daraus erwachsen möchte, abzutreten
und allen Schaden zu vergüten, der jenem oder diesem
daraus entspringt.


____________________

zum Nachdrucke gebraucht würde? Schwerlich würde
jemand dazu einwilligen: weil er sich dadurch
allerlei Beschwerlichkeit der Nachforschung und
Verantwortung aussetzen würde. Der Verlag würde
jenem also auf dem Halse bleiben.


Chapter 1 Page 3



( 405 )


      Nun ist der Nachdrucker ein solcher, der
ein Geschäft eines andern (des Autors) u.s.w.
Also ist er gehalten, diesem oder seinem
Bevollmächtigten (dem Verleger) u.s.w.

Beweis des Obersatzes

      Da der sich eindringende Geschäftträger
unerlaubter Weise im Namen eines andern handelt,
so hat er keinen Anspruch auf den Vortheil, der
aus diesem Geschäfte entspringt; sondern der,
in dessen Namen er das Geschäft führt, oder ein
anderer Bevollmächtigter, welchem jener es
anvertrauet hat, besitzt das Recht, diesen
Vortheil als die Frucht seines Eigenthums sich
zuzueignen. Weil ferner dieser Geschäftträger
dem Rechte des Besitzers durch unbefugte
Einmischung in fremde Geschäfte Abbruch thut,
so muß er nothwendig allen Schaden vergüten.
Dieses liegt ohne Zweifel in den
Elementarbegriffen des Naturrechts.

Beweis des Untersatzes

      Der erste Punkt des Untersatzes ist: daß
der Verleger durch den Verlag das Geschäft
eines andern treibe. - Hier kommt alles auf
den Begriff eines Buchs oder einer Schrift
überhaupt, als einer Arbeit des Verfassers,
und auf den Begriff des Verlegers überhaupt
(er sei bevollmächtigt oder nicht) an: ob
nämlich ein Buch eine Waare sei, die der
Autor, es sei mittelbar oder



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( 406 )


vermittelst eines andern, mit dem Publicum
verkehren, also mit oder ohne Vorbehalt gewisser
Rechte veräußern kann; oder ob es vielmehr ein
bloßer Gebrauch seiner Kräfte (opera) sei, den
er andern zwar verwilligen (concedere), niemals
aber veräußern (alienare) kann; ferner: ob der
Verleger sein Geschäft in seinem Namen, oder
ein fremdes Geschäft im Namen eines andern
treibe?

      In einem Buche als Schrift redet der Autor
zu seinem Leser; und der, welcher sie gedruckt
hat, redet durch seine Exemplare nicht für sich
selbst, sondern ganz und gar im Namen des
Verfassers. Er stellt ihn als redend öffentlich
auf und vermittelt nur die Überbringung dieser
Rede ans Publicum. Das Exemplar dieser Rede, es
sei in der Handschrift oder im Druck, mag
gehören, wem es wolle; so ist doch, dieses für
sich zu brauchen, oder damit Verkehr zu treiben,
ein Geschäft, das jeder Eigenthümer desselben
in seinem eigenen Namen und nach Belieben treiben
kann. Allein jemand öffentlich reden zu lassen,
seine Rede als solche ins Publicum zu bringen,
das heißt, in jenes Namen reden und gleichsam
zum Publicum sagen: "Durch mich läßt ein
Schriftsteller euch dieses oder jenes buchstäblich
hinterbringen, lehren u.s.w. Ich verantworte
nichts, selbst nicht die Freiheit, die jener
sich nimmt, öffentlich durch mich zu reden; ich
bin nur der Vermittler der Gelangung an euch;"



Chapter 1 Page 5



( 407 )


das ist ohne Zweifel ein Geschäft, welches man
nur im Namen eines andern, niemals in seinem
eigenen (als Verleger) verrichten kann. Dieser
schafft zwar in seinem eigenen Namen das stumme
Werkzeug der Überbringung einer Rede des Autors
ans Publicum *) an; aber daß er gedachte Rede
durch den Druck ins Publicum bringt, mithin: daß
er sich als denjenigen zeigt, durch den der
Autor zu diesem redet, das kann er nur im Namen
des andern thun.
      Der zweite Punkt des Untersatzes ist: daß
der Nachdrucker nicht allein ohne alle Erlaubniß
des Eigenthümers das Geschäft (des Autors),
sondern es sogar wider seinen Willen übernehme.
Denn da er nur darum Nachdrucker ist, weil er
einem andern, der zum Verlage vom Autor selbst
bevollmächtigt ist, in sein Geschäft greift: so
fragt sich, ob der Autor noch einem andern
dieselbe Befugniß ertheilen und dazu einwilligen
könne. Es ist aber klar: daß, weil alsdann jeder
von beiden, der erste

___________________

*) Ein Buch ist das Werkzeug der Überbringung
einer Rede ans Publicum, nicht bloß der Gedanken,
wie etwa Gemälde, symbolische Vorstellung irgend
einer Idee oder Begebenheit. Daran liegt hier
das Wesentlichste, daß es keine Sache ist, die
dadurch überbracht wird, sondern eine opera,
nämlich Rede, und zwar buchstäblich. Dadurch,
daß es ein stummes Werkzeug genannt wird,
unterscheide ich es von dem, was die Rede durch
einen Laut überbringt, wie z. B. ein Sprachrohr,
ja selbst der Mund anderer ist.


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( 408 )


Verleger und der sich nachher des Verlags
anmaßende (der Nachdrucker), des Autors
Geschäft mit einem und demselben ganzen
Publicum führen würde, die Bearbeitung des
einen die des andern unnütz und für jeden
derselben verderblich machen müsse; mithin
ein Vertrag des Autors mit einem Verleger
mit dem Vorbehalt, noch außer diesem einem
andern den Verlag seines Werks erlauben zu
dürfen, unmöglich sei; folglich der Autor
die Erlaubniß dazu keinem andern (als
Nachdrucker) zu ertheilen befugt gewesen,
diese also vom letztern auch nicht einmal
hat präsumirt werden dürfen; folglich der
Nachdruck ein gänzlich wider den erlaubten
Willen des Eigenthümers und dennoch ein
in dessen Namen unternommenes Geschäft sei.

* * *

Aus diesem Grunde folgt auch, daß nicht der
Autor, sondern sein bevollmächtigter
Verleger lädirt werde. Denn weil jener sein
Recht wegen Verwaltung seines Geschäftes
mit dem Publicum dem Verleger gänzlich und
ohne Vorbehalt, darüber noch anderweitig zu
disponiren, überlassen hat: so ist dieser
allein Eigenthümer dieser Geschäftsführung,
und der Nachdrucker thut dem Verleger
Abbruch an seinem Rechte, nicht dem
Verfasser.



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( 409 )


      Weil aber dieses Recht der Führung
eines Geschäftes, welches mit pünktlicher
Genauigkeit eben so gut auch von einem
andern geführt werden kann, - wenn nichts
besonders darüber verabredet worden, für
sich nicht als unveräußerlich (ius
personalissimum) anzusehen ist: so hat
der Verleger Befugniß, sein Verlagsrecht
auch einem andern zu überlassen, weil er
Eigenthümer der Vollmacht ist; und da
hiezu der Verfasser einwilligen muß, so
ist der, welcher aus der zweiten Hand das
Geschäft übernimmt, nicht Nachdrucker,
sondern rechtmäßig bevollmächtigter
Verleger, d. i. ein solcher, dem der vom
Autor eingesetzte Verleger seine Vollmacht
abgetreten hat.

II.
Widerlegung des vorgeschützten Rechts des
Nachdruckers gegen den Verleger.

      Es bleibt noch die Frage zu beantworten
übrig: ob nicht dadurch, daß der Verleger
das Werk seines Autors im Publicum veräußert,
mithin aus dem Eigenthum des Exemplars die
Bewilligung des Verlegers (mithin auch des
Autors, der ihm dazu Vollmacht gab) zu jedem
beliebigen Gebrauche desselben, folglich
auch zum Nachdrucke von selbst fließe, so
unangenehm solcher jenem auch sein möge?
Denn es hat jenen vielleicht der Vortheil
angelockt, das Geschäft des Verlegers auf
diese Gefahr



Chapter 1 Page 8



( 410 )


zu übernehmen, ohne den Käufer durch einen
ausdrücklichen Vertrag davon auszuschließen,
weil dieses sein Geschäft rückgängig gemacht
haben möchte.- Daß nun das Eigenthum des
Exemplars dieses Recht nicht verschaffe,
beweise ich durch folgenden Vernunftschluß:
      Ein persönliches bejahendes Recht auf
einen andern kann aus dem Eigenthum einer
Sache allein niemals gefolgert werden.
      Nun ist das Recht zum Verlage ein
persönliches bejahendes Recht.
      Folglich kann es aus dem Eigenthum
einer Sache (des Exemplars) allein niemals
gefolgert.

Beweis des Obersatzes

      Mit dem Eigenthum einer Sache ist zwar
das verneinende Recht verbunden, jedermann
zu widerstehen, der mich im beliebigen
Gebrauch derselben hindern wollte; aber
ein bejahendes Recht auf eine Person, von
ihr zu fordern, daß sie etwas leisten oder
mir worin zu Diensten sein solle, kann aus
dem bloßen Eigenthum keiner Sache fließen.
Zwar ließe sich dieses letztere durch eine
besondere Verabredung dem Vertrage, wodurch
ich ein Eigenthum von jemand erwerbe,
beifügen; z. B. daß, wenn ich eine Waare
kaufe, der Verkäufer sie auch postfrei an
einen gewissen Ort hinschicken solle. Aber
alsdann folgt das Recht auf die Person,
etwas



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( 411 )


für mich zu thun, nicht aus dem bloßen
Eigenthum meiner erkauften Sache, sondern
aus einem besondern Vertrage.

Beweis des Untersatzes

      Worüber jemand in seinem eigenen Namen
nach Belieben disponiren kann, daran hat er
ein Recht in der Sache. Was er aber nur im
Namen eines andern verrichten darf, dies
Geschäft treibt er so, daß der Andere dadurch,
als ob es von ihm selbst geführt wäre,
verbindlich gemacht wird. (quod quis facit
per alium, ipse fecisse putandus est) Also
ist mein Recht zur Führung eines Geschäftes
im Namen eines andern ein persönliches
bejahendes Recht, nämlich den Autor des
Geschäftes zu nöthigen, daß er etwas prästire,
nämlich für alles stehe, was er durch mich
thun läßt, oder wozu er sich durch mich
verbindlich macht. Der Verlag ist nun eine
Rede ans Publicum (durch den Druck) im Namen
des Verfassers, folglich ein Geschäft im
Namen eines andern. Also ist das Recht dazu
ein Recht des Verlegers an eine Person:
nicht bloß sich im beliebigen Gebrauche
seines Eigenthums gegen ihn zu vertheidigen;
sondern ihn zu nöthigen, daß er ein gewisses
Geschäft, welches der Verleger auf seinem
Namen führt, für sein eigenes erkenne und
verantworte, - mithin ein persönliches
bejahendes Recht.



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      Das Exemplar, wornach der Verleger
drucken läßt, ist ein Werk des Autors (opus)
und gehört dem Verleger, nachdem er es im
Manuscript oder gedruckt erhandelt hat,
gänzlich zu, um alles damit zu thun, was er
will, und was in seinem eigenen Namen gethan
werden kann; denn das ist ein Erforderniß
des vollständigen Rechtes an einer Sache,
d. i. des Eigenthums. Der Gebrauch aber, den
er davon nicht anders als nur im Namen eines
andern (nämlich des Verfassers) machen kann,
ist ein Geschäft (opera), das dieser Andere
durch den Eigenthümer des Exemplars treibt,
wozu außer dem Eigenthum noch ein besonderer
Vertrag erfordert wird.
      Nun ist der Buchverlag ein Geschäft, das
nur im Namen eines andern (nämlich des Verfassers)
geführt werden darf (welchen Verfasser der
Verleger als durch sich zum Publicum redend
aufführt); also kann das Recht dazu nicht zu
den Rechten gehören, die dem Eigenthum eines
Exemplars anhängen, sondern kann nur durch
einen besondern Vertrag mit dem Verfasser
rechtmäßig werden. Wer ohne einen solchen
Vertrag mit dem Verfasser (oder, wenn dieser
schon einem andern als eigentlichen Verleger
dieses Recht eingewilligt hat, ohne Vertrag
mit diesem) verlegt, ist der Nachdrucker,
welcher also den eigentlichen Verleger lädirt
und ihm allen Nachtheil ersetzen muß.


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( 413 )


Allgemeine Anmerkung

      Daß der Verleger sein Geschäft des Verlegers
nicht bloß in seinem eigenen Namen, sondern im
Namen eines andern *) (nämlich des Verfassers)
führe und ohne dessen Einwilligung gar nicht
führen könne: bestätigt sich aus gewissen
Verbindlichkeiten, die demselben nach allgemeinem
Geständnisse anhängen. Wäre der Verfasser,
nachdem er seine Handschrift dem Verleger zum
Drucke übergeben und dieser sich dazu verbindlich
gemacht hat, gestorben: so steht es dem letztern
nicht frei, sie als sein Eigenthum zu unterdrücken;
sondern das Publicum hat in Ermangelung der Erben
ein Recht, ihn zum Verlage zu nöthigen, oder die
Handschrift an einen andern, der sich zum Verlage
anbietet, abzutreten. Denn einmal war es ein
Geschäft, das der Autor durch ihn mit dem Publicum
treiben wollte, und wozu er sich als Geschäftträger
erbot. Das Publicum hatte auch nicht nöthig, dieses
Versprechen des Verfassers zu wissen,

_______________________

*) Wenn der Verleger auch zugleich Verfasser ist,
so sind beide Geschäfte doch verschieden; und er
verlegt in der Qualität eines Handelsmannes, was
er in der Qualität eines Gelehrten geschrieben
hat. Allein wir können diesen Fall bei Seite
setzen und unsere Erörterung nur auf den, da der
Verleger nicht zugleich Verfasser ist, einschränken:
es wird nachher leicht sein, die Folgerung auch auf
den ersten Fall auszudehnen.


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( 414 )


noch es zu acceptiren; es erlangt dieses
Recht an den Verleger (etwas zu prästiren)
durchs Gesetz allein. Denn jener besitzt
die Handschrift nur unter der Bedingung,
sie zu einem Geschäfte des Autors mit dem
Publicum zu gebrauchen; diese Verbindlichkeit
gegen das Publicum aber bleibt, wenn gleich
die gegen den Verfasser durch dessen Tod
aufgehört hat. Hier wird nicht ein Recht des
Publicums an der Handschrift, sondern an
einem Geschäfte mit dem Autor zum Grunde
gelegt. Wenn der Verleger das Werk des Autors
nach dem Tode desselben verstümmelt oder
verfälscht herausgäbe, oder es an einer für
die Nachfrage nöthigen Zahl Exemplare mangeln
ließe; so würde das Publicum Befugniß haben,
ihn zu mehrerer Richtigkeit oder Vergrößerung
des Verlags zu nöthigen, widrigenfalls aber
diesen anderweitig zu besorgen. Welches alles
nicht statt finden könnte, wenn das Recht des
Verlegers nicht von einem Geschäfte, das er
zwischen dem Autor und dem Publicum im Namen
des erstern führt, abgeleitet würde.
      Dieser Verbindlichkeit des Verlegers, die
man vermuthlich zugestehen wird, muß aber auch
ein darauf gegründetes Recht entsprechen,
nämlich das Recht zu allem dem, ohne welches
jene Verbindlichkeit nicht erfüllt werden
könnte. Dieses ist: daß er das Verlagsrecht
ausschließlich ausübe, weil anderer Konkurrenz
zu seinem Geschäfte die


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Führung desselben für ihn praktisch unmöglich
machen würde.
      Kunstwerke als Sachen können dagegen nach
einem Exemplar derselben, welches man rechtmäßig
erworben hat, nachgeahmt, abgeformt und die
Copien derselben öffentlich verkehrt werden,
ohne daß es der Einwilligung des Urhebers ihres
Originals, oder derer, welcher er sich als
Werkmeister seiner Ideen bedient hat, bedürfe.
Eine Zeichnung, die jemand entworfen, oder
durch einen andern hat in Kupfer stechen, oder
in Stein, Metall, oder Gips ausführen lassen,
kann von dem, der diese Producte kauft,
abgedruckt oder abgegossen und so öffentlich
verkehrt werden; so wie alles, was jemand mit
seiner Sache in seinem eigenen Namen verrichten
kann, der Einwilligung eines andern nicht bedarf.
Lipperts Daktyliothek kann von jedem Besitzer
derselben, der es versteht, nachgeahmt und zum
Verkauf ausgestellt werden, ohne daß der Erfinder
derselben über Eingriffe in seine Geschäfte
klagen könne. Denn sie ist ein Werk (opus, nicht
opera alterius), welches ein jeder, der es
besitzt, ohne einmal den Namen des Urhebers zu
nennen, veräußern, mithin auch nachmachen und
auf seinen eigenen Namen als das seinige zum
öffentlichen Verkehr brauchen kann. Die Schrift
aber eines andern ist die Rede einer Person
(opera); und der, welcher sie verlegt, kann nur
im Namen dieses andern zum Publicum reden


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und von sich nichts weiter sagen, als daß
der Verfasser durch ihn (Impensis Bibliopolae)
folgende Rede ans Publicum halte. Denn es ist
ein Widerspruch: eine Rede in seinem Namen zu
halten, die doch nach seiner eigenen Anzeige
und gemäß der Nachfrage des Publicums die
Rede eines andern sein soll. Der Grund also,
warum alle Kunstwerke anderer zum öffentlichen
Vertrieb nachgemacht, Bücher aber, die schon
ihre eingesetzte Verleger haben, nicht
nachgedruckt werden dürfen, liegt darin: daß
die erstern Werke (opera), die zweiten Handlungen
(operae) sind, davon jene als für sich selbst
existirende Dinge, diese aber nur in einer
Person ihr Dasein haben können. Folglich
kommen diese letztern der Person des Verfassers
ausschließlich zu; *) und derselbe


_____________________

*) Der Autor und der Eigenthümer des Exemplars
können beide mit gleichem Rechte von demselben
sagen: es ist mein Buch! aber in verschiedenem
Sinne. Der erstere nimmt das Buch als Schrift
oder Rede; der zweite bloß als das stumme
Instrument der Überbringung der Rede an ihn
oder das Publicum, d. i. als Exemplar. Dieses
Recht des Verfassers ist aber kein Recht in
der Sache, nämlich dem Exemplar (denn der
Eigenthümer kann es vor des Verfassers Augen
verbrennen), sondern ein angebornes Recht in
seiner eignen Person, nämlich zu verhindern,
daß ein anderer ihn nicht ohne seine
Einwilligung zum Publicum reden lasse, welche
Einwilligung gar nicht präsumirt werden kann,
weil er sie schon einem andern ausschließlich
ertheilt hat.


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( 417 )


hat daran ein unveräußerliches Recht (ius
personalissimum) durch jeden andern immer
selbst zu reden, d. i. daß niemand dieselbe
Rede zum Publicum anders, als in seines
(des Urhebers) Namen halten darf. Wenn man
indessen das Buch eines andern so verändert
(abkürzt oder vermehrt oder umarbeitet),
daß man sogar Unrecht thun würde, wenn man
es nunmehr auf den Namen des Autors des
Originals ausgeben würde: so ist die
Umarbeitung in dem eigenen Namen des
Herausgebers kein Nachdruck und also nicht
unerlaubt. Denn hier treibt ein anderer
Autor durch seinen Verleger ein anderes
Geschäft als der erstere und greift diesem
also in sein Geschäfte mit dem Publicum
nicht ein; er stellt nicht jenen Autor als
durch ihn redend vor, sondern einen andern.
Auch kann die Übersetzung in eine andere
Sprache nicht für Nachdruck genommen werden;
denn sie ist nicht dieselbe Rede des
Verfassers, obgleich die Gedanken genau
dieselben sein mögen.
      Wenn die hier zum Grunde gelegte Idee
eines Bücherverlages überhaupt wohlgefaßt und
(wie ich mir schmeichle, daß es möglich sei)
mit der erforderlichen Eleganz der römischen
Rechtsgelehrsamkeit bearbeitet würde: so
könnte die Klage gegen den Nachdrucker wohl
vor die Gerichte gebracht werden, ohne daß
es nöthig wäre, zuerst um ein neues Gesetz
deshalb anzuhalten.                              I. Kant

____________


Transcription by: Friedemann Kawohl

    

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